Der Autor
Biologe und Ornithologe Dr. Holger Schulz
aus Bergenhusen in Deutschland ist wissenschaftlicher Leiter des schweizerischen Projekts SOS Storch.

 

Der Autor
Peter Enggist
aus Kreuzlingen in der Schweiz ist Initiator des Projekts SOS Storch und Geschäftsführer des Projektträgers „Storch Schweiz"

Porrentruy

die außergewöhnliche Reise eines Schweizer Storchs nach Stade

Im März 2021 flog ein beringter Weißstorch in den Landkreis Stade zu einer Nisthilfe in Heinbockel. Als der Storchenbetreuer Gert Dahms die Ringnummer ablesen wollte, stellte er fest, dass der „zugereiste“ Vogel auf dem Rücken einen Sender trug. Nach kurzer Recherche fand er heraus, dass der Vogel als Nestling 2017 in der Schweiz im Kanton Jura besendert wurde. Die Mitarbeiter des Satellitentelemetrie-Projekts „SOS Storch“ benannten den Weißstorch nach seinem Geburtsort Porrentruy.

 

Die „schweizerische Naturschutzorganisation Storch Schweiz“ führt das Projekt seit gut 20 Jahren durch, um das Zug- und Nahrungsverhalten der westziehenden Weißstörche zu untersuchen. Dabei werden die Störche in der Schweiz mit Satellitensendern versehen, um über deren GPS-Daten eine kontinuierliche Zugbegleitung und -überwachung zu ermöglichen. Ein großer Teil der Störche zieht nicht mehr, wie üblich, zum Überwintern nach Westafrika, sondern überwintert im Süden Spaniens. Dort finden sie ihre Nahrung auf Reisfeldern und vor allem auf großen offenen Mülldeponien.

Ungewöhnliche Zugrouten

Von den insgesamt sechs in 2017 besenderten Störchen ist einzig der GPS-Datenlogger von Porrentruy immer noch aktiv. Mehr als 78.000 GPS-Koordinaten hat der High-Tech-Sender bisher geliefert. Die Daten zeigen auf, dass der Vogel in den vergangenen vier Jahren ein äußerst untypisches und ungewöhnliches Zugverhalten an den Tag gelegt hat.


Der Blick auf die Karte der Zugrouten macht deutlich, dass Porrentruy in den ersten zwei Jahren zwischen Frankreich und Südspanien überwiegend den Küstenlinien gefolgt ist und damit Südeuropa gewissermaßen umrundet hat. Längere Aufenthalte auf dem Weg in den Süden Spaniens gab es vor allem auf küstennahen Mülldeponien. Sie sind in Spanien inzwischen die wichtigsten „Nahrungshabitate“ der westziehenden Störche. Von Mitte April 2018 bis Anfang Juni 2020 flog Porrentruy fast permanent an der gesamten portugiesischen Atlantikküste auf und ab. Auch dort suchte er überwiegend verschiedene Mülldeponien auf, flog zur Nahrungssuche aber auch häufig zu Reisfeldern und anderen Agrarflächen, vor allem entlang größerer Flüsse.

Erster Flug in den Landkreis

Erst Anfang März 2020 verließ der Storch Portugal endgültig und begann den Zug nach Norden. Im Sommer 2020 erreichte er erstmalig Norddeutschland, wo er sich von Mitte Juni bis Ende August 2020 aufhielt. Schon damals besuchte er Heinbockel für einige Zeit und vagabundierte durch Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Den Winter 2020/21 verbrachte er in Spanien. Sein zweiter Frühjahrszug nach Norden führte ihn im März 2021 erneut in den Landkreis Stade. Auf der Nisthilfe in Heinbockel brütete Porrentruy erfolgreich, - ein Jungvogel wurde flügge.

 

Annähernd 130 Weißstörche wurden im Rahmen des Projekts ‚SOS Storch‘ während der mehr als 20-jährigen Projekt-Laufzeit besendert. Sie lieferten insgesamt fast drei Millionen GPS-Koordinaten, die viele neue Erkenntnisse zum Storchenzug erbrachten.


Allerdings ist kein anderer Storch jemals so extravagant gezogen wie Porrentruy. Die üblichen Routen hat er fast während seiner gesamten Wanderung hartnäckig ignoriert. Porrentruys Logger funktioniert noch immer. Es gibt also Hoffnung, dass er uns auch weiterhin an seiner spannenden Reise teilhaben lässt.

Karte aller Zugbewegungen des Senderstorchs Porrentruy von 2017 bis 2021. Grüner Punkt ist der Besenderungsort, blauer Punkt der Brutort 2021 in Heinbockel. (Karte: Projekt SOS Storch)

Ein Datenlogger wird durch Dr. Holger Schulz(rechts) und Peter Enggist (links) auf einem Weißstorch befestigt. (Foto: Projekt SOS Storch)

GPS-Datenlogger mit Solarpanel zur Energieversorgung und Antennen für GPS, Mobilfunk-Datenübertragung und Download der Daten. (Foto: Dr. H. Schulz)

Ein mit einem GPS-Datenlogger besenderter Storch in der Schweiz. (Foto: Dr. H. Schulz)

Zugbewegungen aller im Projekt mit GPS-Datenloggern besenderten Westzieher, ohne Porrentruy. (Karte: Projekt SOS Storch)

 

Der Autor
Biologe und Ornithologe Dr. Holger Schulz
aus Bergenhusen in Deutschland ist wissenschaftlicher Leiter des schweizerischen Projekts SOS Storch.

 

Der Autor
Peter Enggist
aus Kreuzlingen in der Schweiz ist Initiator des Projekts SOS Storch und Geschäftsführer des Projektträgers „Storch Schweiz"